Frankfurter Allgemeine Zeitung | ||||
15.07.2002 | Tobias Lehberg | |||
Hirtentäschel und Schafgarbe für den Salat | ||||
NEU-ANSPACH
Ursula Buddeus ist von Beruf Kräuterfee. So steht es auf ihrer Visitenkarte.
Mit Kräutern zaubert die gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin
in der Küche und am Krankenbett. Doch nicht nur Grünzeug weiß
Buddeus würzende oder heilende Wirkungen zu entlocken — auch
in der Rose findet sie verborgene Kräfte. In diesem Monat stellt
sie bei ihrer ‘Kräuterwanderung’ im Freilichtmuseum Hessenpark
die Königin der Blumen denn auch in ungewöhnlicher Gestalt vor,
als Likör, Gelee, Tee und sogar als Pudding. Gut ein Dutzend Besucher
haben sich am Sonntag zwischen den Fachwerkbauten des Freilichtmuseums
versammelt, um mit der Kräutertee zu ernten, was oft unbemerkt am
Wegesrand gedeiht. Die Gruppe hat noch keinen Schritt getan, da weist
Buddeus sie schon auf das erste Helikraut hin. In den Fugen der alten
Pflastersteine sprießt Breitwegrich. Einige der Besucher halten
den Fund vorschnell für Unkraut, Buddeus hingegen empfiehlt das Gewächs
als Vorspeise. In Butter ausgelassen, entwickelten die kleinen hutartigen
Stengelenden einen nussartigen Geschmack. Das geschulte Auge finde in
der freien Natur schnell das gesuchte Gewächs, meint die Kräuterfee:
,Für jeden wachsen die Kräuter, die
er braucht, vor der eigenen Haustür.’ Wenige Meter weiter bleibt
die Gruppe vor Löwenzahn stehen. Er könne als ganze Pflanze
von der grünen Wiese direkt in die Salatschüssel, berichtet
Buddeus. Wem die breiten, zackigen Blätter zu bitter schmeckten,
der könne sie vorher mit heißem Wasser abbrühen. Als Rohkost
helfe der Löwenzahn jedoch am besten gegen Leber- und Gallenleiden.
Auch Hirtentäschel und Schafgarbe seien als Salatzutaten geeignet.
Hopfen lasse sich sogar zu einem Hauptgericht veredeln, die Sprossen der
jungen Pflanzen ließen sich ähnlich wie Spargel kochen. Wegen
der aufwendigen Ernte des Hopfens gelte dieses Gericht in der Gastronomie
als Delikatesse. Manch eine Besucherin scheint zu bezweifeln, daß
solche Gerichte daheim am Mittagstisch auf Zustimmung stoßen würden.
‘Probieren Sie es zu Hause immer in kleinen Dosen aus’, rät
Buddeus den Skeptikern, ‘bis sich Ihre Familie daran gewöhnt
hat.’ Gleiches gelte auch für die reinen Heilkräuter.
Sie sollten nicht schüsselweise, sondern nur in kleinen Mengen angewendet
werden. Denn zuviel des Guten könne auch schaden. In geringen Dosen
verabreicht, geht von den meisten Kräutern nämlich keine Gefahr
aus — nur Schierling und Knollenblätterpilz dürfen auf
keinen Fall verzehrt werden. Während die Besucher mit Buddeus zwischen
den Fachwerkhäusern von einem Garten zum nächsten gehen, wird
klar: Für die Kräuterfee ist gegen fast jedes Alltagsleiden
ein Kraut gewachsen. Gänsefingerkraut beseitigt Krämpfe, Vogelbitterich
entschlackt den Körper, gekochter schwarzer Holunder hilft gegen
Durchfall. Rainfarn lindert das Jucken von Insektenstichen. Die Stockrose
schafft Abhilfe bei trockenem Husten. Johanniskraut und Baldrian beruhigen
Geist und Seele, die Quecke reinigt das Blut, Zinnkraut stärkt Haut
und Haare, und die Kapuzinerkresse wirkt als Antibiotikum. Und dabei sind
die heilenden Kräuter keineswegs bittere Medizin: Huflattich sei
früher sogar in der Pfeife geraucht worden — gegen Asthma,
weiß Buddeus. Kräuter entdeckt die Kräuterexpertin an
jeder Ecke des Museumsgeländes. Nur Rosen sind kaum zu finden. Dafür
bat Buddeus aber einige Zubereitungen zum Verkosten mitgebracht. Etwa
Rosenlikör, der nur aus Rosenblättern, Zucker und Schnaps mit
38 Prozent Alkoholanteil besteht. Den leicht bräunlichen Rosentee
beurteilt ein Besucher als ,fast geschmacksneutral’.
Offenbar ist die Rose für ihre äußere Pracht gekrönt
worden — für Würze und Wehwehchen gibt es ja genügend
andere Gewächse. |
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